‘Luxus, Komfort und satte 16 PS – neues Topmodell des Trabant’
Ein Renner, der nur schwer zu bremsen ist
Der Trabbi Turbo KMS im 12000-Meter-Test
Es gab Zeiten, da galt die DDR als Motorsportnation Nummer 47 (nach
Gabun). Dass sie sich heute bis auf den 42. Platz (vor Somalia)
vorgearbeitet hat, liegt vor allem an der Rallye-Turbo-Sprint-
Version des brandneuen Trabant ‘Karl-Marx-Stadt’ – von Kennern schon
liebevoll ‘Chemnitz’ genannt.
Probefahrt. Wir halten unseren schweren Jaguar an der Transitstrecke
bei Gloggau an der Trenz. Hinter dem Intershop wartet schon der
Testwagen – und Mischa, der ortskundige Rallye-Spezialist der DDR-
Motorsportzeitschrift TEMPO.
Etwas unpraktisch – das Zündschloss auf dem Wagenboden. Der Trabant
springt auf Anhieb an. Seine satten 16 PS fordern dröhnend ihr
Recht. Ein Auto, das auf die Strasse gehört – besser noch auf die
DDR-Autobahn, wo es seine ungezügelte Leidenschaft voll ausleben
kann. Pfiffig ist das spezielle Segeltuchverdeck, das mit Handkurbel
betätigt wird und im Fahrzeug Kabrio-Atmosphäre aufkommen lässt.
Mit einem Satz sind wir auf der rechten Spur und geben Gas. Rechts
der Fahrbahn sprescht ein Bär durchs Unterholz, und der Fahrtwind
lässt die Himbeerblüten auf der Gegenseite sacht zu Boden treiben.
Bremstest bei 30 km/h: Der Trabant verfügt über einen Anschluss
ans ‘ABS’, das Allgemeine Bremssystem der SED, und steht nach 30
Metern wie eine Eins.
Äusserlich kaum von seinen Vorgängern zu unterscheiden, zeigt
schon ein Blick unter die Motorhaube einiges Neues. Der Motor ist
nun festgeschraubt, seine Leistungsfähigkeit ist untrennbar mit dem
Wagen verbunden. Der querliegende 313-ccm-Zweizylinder mit
Reinspritzpumpe, Zahnriemenantrieb und Dreiganggetriebe bietet
überraschend viel Fahrkomfort. Auch das Cockpit (’Goggbid’) zeigt
eine ganze Reihe sinnvoller Neuigkeiten wie den Tachometerzähler,
der linientreu auf der Eins stehenbleibt.
Tatsächlich ist im Trabant nur ein Tachometer zu finden. Auch was
das Lenkrad betrifft, hat man sich endlich westlichen Gepflogenheiten
angepasst und ein rundes gewählt – Für DDR-Autofahrer eine
Rechts- und Geradeausfahrt, eine Klingel, eine versenkbare Windschutz-
scheibe sowie, was dem DDR-Fahrer besonders entgegenkommt, endlich ein
Hausschuhfach auf der Beifahrerseite. Hinzu kommen ein Ölmessstab,
ein kombinierter Aschen-, Trink- und Knobelbecher sowie ein
Rasierspiegel direkt neben dem Autoradio (Weltempfänger ‘Zeisig’).
Und hier wären wir auch gleich beim ersten Nachteil: Das Autoradio
ist fest auf DDR 3, den Verkehrsservice der Stimme der DDR
eingestellt. Praktisch, aber doof. Mit Recht stolz ist man aber im
Trabantwerk, dass sich das Cockpit in Fahrtrichtung befindet. Der
Trabant besitzt einen Drittelmixverbrauch nach der Comecon-Norm (73
Liter auf 100 Kilometer). Ist der Leuna-Kraftstoff mal alle, kommt
man auch mit Brennspiritus oder Wodka zur nächsten Zapfsäule.
Unsere Gesamtwertung: Dieses 2.48 Meter lange, 1.20 breite und 1.10
hohe Kompaktauto mit zwei Türen und vier Rädern ist ein Wagen mit
sehr praktischen Detaillösungen. Nahm beim alten Trabant der
Werkzeugkasten noch den halben Kofferaum ein, passt er jetzt zur Not
auch auf den Rücksitz. Dafür hat der neue Trabant ab Werk
eingebaute Spiegel unter dem Wagen.
Optionen: Einzelne Werkstätten in Sachsen und Thüringen bieten
jetzt veredelte Custom-built-Versionen an wie das limitierte
Sondermodell ‘Trabant Funktionär’ (als Dreiachser, besonderes
Merkmal Ganzlackierung) oder den raketenschnellen ‘Trabant
Peenemünde’ (mit Golf-Motor).’
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